Michael Rudolph 2003:

Taiwans multi-ethnische Gesellschaft und die Bewegung der Ureinwohner: Assimilation oder kulturelle Revitalisierung? Hamburg/Münster/London: LIT (ISBN:3-8258-6828-1).

English Language Abstract

Taiwan’s Multi-Ethnic Society and the Movement of Aborigines: Assimilation or Cultural Revitalization?

In most parts of the world, ongoing globalisation and the destruction of natural environments constantly reduce indigenous peoples’ chances for independent development and cultural survival. This book analyses the political and cultural conditions that brought new hope for Malayo-Polynesian aborigines in Taiwan during the 1990s: In the course of  the process of demarcation and emancipation of Taiwan’s Han from mainland influences, these ethnic minorities became a crucial factor in Taiwanese identity construction and hence were awarded with specific protection- and support measures. In a more and more multi-culturalist Taiwan, particularly the pan-ethnic movement of Taiwanese Aborigines – a movement that was founded by intellectual elites in 1983 – now prospered with great speed and induced a long line of political successes, starting with the constitutional recognition of aborigines’ status in Taiwan and the self-chosen pan-ethnic name 'Yuanzhumin' ('Ab-originals') in 1994 up to the implementation of a quasi-ministerial ‘Council of Indigenous Peoples’ on the central government level in 1996. In the whole process, however, the leading intellectuals were only reluctantly encouraged and supported by the common people of aboriginal society who still mostly lived in the rural areas or in the slums of the big cities.

While the book in its first and second part discusses the development, the ideology and the aims of the movement as well as the motives of those groups within Han-society that supported it, the third part - based on 18 months of fieldwork in the villages of two ethnic groups – analyses the factors that kept aboriginal commoners away from supporting the movement. One of the most salient results was that the common people – often still under the influence of their social stigma of the past – had difficulties to identify with the intellectuals’ strive for authenticity and ‘subjectivity’. While the former showed a strong willingness to assimilate to Taiwan’s lower middle classes where discrimination against aborigines still prevailed in the 1990s, the latter rather identified themselves with ideals of intellectual circles within Han society where the "recognition of difference" and "multiculturalism" had become core values in the course of political paradigm change. Assimilation to Taiwan's main society, however, seems to have been a tendency in both cases. In the case of aboriginal elites, I therefore speak of an "assimilation through cultural revitalisation"

German Language Abstract

Taiwans multi-ethnische Gesellschaft und die Bewegung der Ureinwohner: Assimilation oder kulturelle Revitalisierung?

Fortschreitende Globalisierung und die Zerstörung natürlicher Lebensräume haben in den meisten Gebieten dieser Welt zu einer immer stärkeren Einschränkung der Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeiten indigener Völker geführt. Dieses Buch zeigt, welche politischen und kulturellen Rahmenbedingungen in einem multi-ethnischen Taiwan dazu beitrugen, dass die malayo-polinesischen Ureinwohner der Insel seit Beginn der 1990er Jahre neue Hoffnung schöpfen konnten: Im Zuge der Abgrenzungsbestrebungen der Han-Bevölkerung von festländischen Einflüssen wurden sie zu einem entscheidenden Faktor bei der taiwanesischen Identitätskonstruktion und kamen so in den Genuss umfangreicher Schutz- und Unterstützungsmaßnahmen. Besonders die 1983 von intellektuellen Eliten ins Leben gerufene pan-ethnische Bewegung taiwanesischer Ureinwohner vermochte in einem solchen Klima schnell zu prosperieren und ansehnliche Erfolge zu erzielen, angefangen von der konstitutionellen Anerkennung des Ureinwohner-Status und des selbst gewählten pan-ethnischen Ethnonyms 'Yuanzhumin' ('Ursprüngliche Bewohner') (1994) bis hin zur Einrichtung eines quasi-ministerialen Ureinwohner-Komitees auf zentraler Regierungsebene (1996). Nur wenig Zuspruch und Unterstützung erhielten die die Bewegung anführenden Intellektuellen derweil von Seiten der großen Masse der meist noch auf dem Lande oder in den Slums der Großstädte lebenden Ureinwohnerbevölkerung.

Während im ersten und zweiten Teil der Untersuchung die Inhalte der Bewegung selber sowie die Motive der sie fördernden Kräfte in der Han-Gesellschaft diskutiert werden, setzt sich der dritte Teil - basierend auf einer 18-monatigen Feldforschung in den Dörfern zweier unterschiedlicher Ureinwohner-Ethnien - mit der Frage auseinander, welche Faktoren die meisten nicht-intellektuellen Ureinwohner von einem Engagement für die Bewegung abhielten. Eines der wichtigsten Ergebnisse hier ist, dass sich letztere - in vielen Fällen auch weiterhin dem Einfluss ihres sozialen Stigmas erlegen - nur schwer mit den Authentisierungsbestrebungen und Subjektivitätskonstruktionen ihrer intellektuellen Mitglieder identifizieren konnten. Während sich bei ihnen - bei fortdauernder Diskriminierung durch die nicht-intellektuellen Han - ein stark ausgeprägter Wille zur Assimilierung an Taiwans untere Mittelschichten manifestierte, identifizierten sich intellektuelle Eliten der Ureinwohner eher mit den Idealen intellektueller Eliten der Han-Gesellschaft, wo Werte wie die "Anerkennung von Differenz" und "kultureller Pluralismus" im Zuge des politischen Paradigmenwechsels immer wichtigeren Stellenwert erhielten. Assimilierung scheint somit in beiden Fällen eine Rolle gespielt zu haben, auch wenn man sich an den Maßgebungen unterschiedlicher Segmente in der Han-Gesellschaft orientierte. Im Falle der Ureinwohner-Eliten spreche ich deshalb von einer "Assimilierung durch kulturelle Revitalisierung".